Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage

Harald Epple, CFO der Gothaer, erläutert im Interview die nachhaltige Transformation der Realwirtschaft durch die Finanzwirtschaft und verdeutlicht damit den Einfluss von Versicherern auf andere Unternehmen. Außerdem spricht Epple darüber, warum Anleger ihr Engagement bündeln, um Klimaziele zu erreichen und wie eine Transformation für alle funktionieren kann.

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Wie kann die Kapitalanlage nachhaltige Entwicklung unterstützen?


Im Prinzip müssen wir hier auf den Transmissionsmechanismus zu sprechen kommen - die Frage ist also: Wie kann die Finanzwirtschaft die Realwirtschaft transformieren? Dabei ist vielen nicht so bewusst, dass Versicherer auf Grund ihrer Kapitalanlage bzw. durch das Geld, welches sie aufgrund ihres Geschäftsmodells investieren, natürlich einen großen Einfluss auf andere Unternehmen und Fonds etc. haben. Die Grundidee ist, dass die Finanzwirtschaft (in unserem Fall die Versicherung) über ihre Kapitalanlagen Einfluss auf Unternehmen der Realwirtschaft nimmt, sodass diese sich auf einen CO2-Reduktionspfad begeben, der im Idealfall zu den Pariser Klimazielen passt.

Wie kann man als Versicherung Einfluss auf Unternehmen der Realwirtschaft nehmen?


Wir nehmen Einfluss, indem wir uns mit anderen Investoren zusammentun. Denn wie Du schon gesagt hast: Alleine haben wir einen ganz kleinen Anteil an Unternehmen. Wir tun uns mit anderen zusammen, indem wir mit ihnen Stimmrechte ausüben. Hierbei verlassen wir uns auf große Aggregatoren, die dann die Beschlussvorlagen bei Hauptversammlungen nach klimarelevanten Themen untersuchen und uns dann Empfehlungen abgeben, wie man als Investor abstimmen soll. Dieser Initiative haben wir uns angeschlossen. Also wird da, wo wir Stimmrechte haben, immer im Sinne der CO2-Emissionen abgestimmt, also aus dem Eigenkapital (wo wir Aktien haben). Wir glauben allerdings auch, dass wir als Fremdkapitalgeber und das ist für uns ja der viel größere Anteil der Investitionen, Einfluss haben. Auch da sind in den letzten Jahren Plattformen entstanden, bei denen man sich anschließen kann. Beispielsweise "Climate Action 100+" ist eine sehr prominente Plattform, auf der es darum geht, sich über die Plattform Mandate von Fremdkapitalgebern zu holen und dann in das Engagement mit den Unternehmen zu gehen, um sie dahin zu drängen, möglichst schnell CO2 zu reduzieren.

Wie reagieren Unternehmen auf die nachhaltige Unterstützung?


Da noch alles relativ neu ist, kann ich noch keine Beispiele nennen, bei denen ich sagen könnte: Vorher hat das Unternehmen das gemacht, dann hat sich "Climate Change 100+" gemeldet und dann ist der Kurs gewechselt worden. Es wäre zwar sehr schön, wenn man sowas schon sagen könnte, aber das kann ich noch nicht. Was ich aber weiß, ist, dass diese Plattformen von den Unternehmen sehr ernst genommen werden, da ja hier auch viel Kapital dahinter steckt. Dementspechend schreibt die Initative Briefe und vereinbart Meetings, bei denen sie dann konkret wissen wollen: Was tut Ihr? Und warum tut Ihr nicht mehr? Wenn ich eines sagen darf: Bei dem Ganzen geht es ja nicht einfach nur darum, so schnell wie möglich kein CO2 mehr zu emittieren. Die Wirtschaft soll ja weiter funktionieren: Da bedeutet, wenn wir von heute auf Morgen aufhören würden Öl- oder Gasunternehmen usw. zu finanzieren, dann müssten diese den Betrieb einstellen und dann hätten wir keine Energie mehr und wir erleben momentan alle hautnah, was es bedeutet, wenn man keine Energie mehr hat. Dann gibt es Millionen von Arbeitslosen und das darf nicht passieren! Hier möchte ich noch einmal unterstreichen: Die Transformation in eine CO2-neutrale Wirtschaft ist sehr wichtig und so unbedingt sie stattfinden muss, die Transformation muss für alle funktionieren. Man muss sich einen Transitionspfad vornehmen und Unternehmen unterstützen sich auf diesen Pfad zu begeben.

Woher weiß ich, dass ich da die richtige Balance habe?


Das weiß man nicht wirklich. Es gibt natürlich viele wissenschaftliche Organisationen, die tatsächlich solche Transitionspfade für einzelne Sektoren entwickeln. In den Transitionspfaden wir dann zum Beispiel für Unternehmen der Stahlindustrie gesagt: Wenn du ein Stahlunternehmen bist, dann ist dies dein Pfad. Du musst jedes Jahr so weit mit deinen CO2-Emissionen heruntergehen, damit sichergestellt wird, dass es kompatibel mit einer Gesamtentwicklung für die Erde ist, wobei das aktuelle Ziel die Erhöhung der Temperatur um weniger als 1,5 Grad wäre.

Welche Rolle spielen gesetzliche Krankenversicherer?


Ich habe tatsächlich erst letztens ein Gespräch mit einigen gesetzlichen Krankenversicherern geführt. Da haben wir auch darüber gesprochen, inwiefern es deren Auftrag ist, die Bevölkerung und deren Versicherten dazu zu bringen, nachhaltig zu sein. Es ist im Grunde damit zu vergleichen, wie wenn wir als Unternehmen andere Unternehmen dazu bringen nachhaltig zu sein. Die Antwort dort war, dass sie ihre Versicherten nachvollziehbarerweise nicht gängeln sollen - nach dem Motto: Du darfst jetzt kein Auto mehr fahren, sondern musst Bahn fahren. Es ist jetzt so (hängt auch damit zusammen, dass gesetzliche Krankenversicherer keine Macht über ihre Versicherten haben), dass es in der Kapitalanlage anders ist, weil man durch das Kapital eine gewisse "Macht" hat.

Inwiefern siehst du es, dass man den Unternehmen bei den Erreichung der nachhaltigen Vorgaben helfen muss?


Das ist ein Ansatz. den wir nutzen, wenn wir das Thema rund um die Kapitalanlage mal ganz kurz verlassen. Wir sind ja im Kerngeschäft Versicherer. Das bedeutet, wir versichern Unternehmen. Wir haben auf der Versicherungsseite über 200.000 Unternehmen als Kunden und wir haben uns wirklich vorgenommen unseren Kunden zu helfen. Wir wollen ihnen helfen CO2 zu reduzieren, indem wir sie schon im Ansatz unterstützen. Eine der häufigen, essentiellen Fragen ist hier zum Beispiel: Was ist überhaupt eure CO2-Bilanz im Moment? Das wissen ganz viele nicht. Oder auch: Was habt Ihr für Möglichkeiten hier schnell etwas zu tun? Wir wollen unsere Kunden auf ihrem Weg in die Nachhaltigkeit unterstützen. Und das vor allem auch auf der Versicherungsseite, wo wir eine direkte Verbindung zu den Unternehmen haben. In der Kapitalanlage haben wir eine sehr indirekte Verbindung zu Kunden. Aber vielleicht noch ein wichtiger Punkt, was unsere Möglichkeiten in der Kapitalanlage anbelangt, um nachhaltig zu sein: Wir arbeiten sehr viel mit externen Managern. Das bedeutet also, dass wir in Immobilienfonds, in Private Equity Fonds usw. investieren und dadurch einen sehr direkten Einfluss auf die Manager haben, die dann wiederum einen starken Einfluss auf die Unternehmen haben, in die sie investieren. Dabei ist unser Ansatzpunkt: Wenn ihr unser Geld behalten wollt, dann müsst Ihr ein nachhaltiger Manager sein bzw. werden. Wir sprechen dann über Themen wie zum Beispiel "Wie schaut ihr auf Nachhaltigkeit?", "Welche Nachhaltigkeitsziele habt ihr?, "Habt ihr CO2-Reduktionsziele?, oder auch "Was sind eure Datenquellen?“. Das nennen wir Engagement mit den Managern und wir glauben, dass dies einer unserer höchsten Hebel in der Kapitalanlage ist.

Nachhaltiges Kapital vs. Gesamtkapital


Das ist eine Frage der Definition von Nachhaltigkeit. Es passiert viel: Es droht zum ersten Mal eine Taxonomieverordnung im Hinblick auf Ökologie. Ein sehr detailliertes Regelwerk entsteht, was man im Sinne der Taxonomie als nachhaltig bezeichnen darf. Dann gibt es eine Transparenzverordnung, bei der die Regeln andere sind als bei der Taxonomieverordnung. Wenn wir jetzt auf die Transparenzverordnung schauen, bei der es ein bisschen weiter gefasst ist, kann ich mir schon vorstellen, dass zumindest in Kürze (da hier ja gerade unheimlich viel passiert) wie zum Beispiel an der Klarstellung von der Teilregelung 10-20% des Kapitalmarktes im Sinne der Transparenzverordnung in Kürze schon nachhaltig sein können. Also viele Fonds müssen sich gerade erst umstellen. Das hatte auch viel mit formalen Anforderungen zu tun, die man erfüllen muss. Da gibt es dann 100-seitige bzw. 200-seitige Fragebögen, die man ausfüllen muss und erst wenn man das alles erfüllt, ist man im Sinne von solchen Regularien nachhaltig. Ich gebe mal ein Beispiel zur Taxonomieverordnung, was ich auch erst kürzlich gelernt habe. Wir sind ja ein großer Investor in erneuerbare Energien. Wir haben 1,4 Milliarden unserer Kapitalanlagen in erneuerbare Energien investiert. Das ist für einen Versicherer sehr viel. Die gesamte Versicherungsbranche in Deutschland hat 11 Milliarden investiert, davon 1,4 Milliarden die Gothaer. Jetzt würden wir beide doch denken: Erneuerbare Energien ist doch klar, ist doch ein nachhaltiges Investment, sodass nach der Taxonomieverordnung doch ein Haken dran kommen müsste. Dem ist aber nicht so. Das reicht nicht, dass wir beide sagen: Ist doch klar. Sondern da muss dann zum Beispiel für jedes einzelne Wasserkraftwerk ein 320-seitiger Fragebogen ausgefüllt werden und erst wenn dieser zur Zufriedenheit der Leute, die den Fragebogen nachher beurteilen, ist, dann ist das Wasserkraftwerk nachhaltig. Nicht weil es ein Wasserkraftwerk ist, ist dieses per se nachhaltig, sondern erst wenn diese ganzen Formalien erledigt sind, ist es nachhaltig im Sinne der Taxonomieverordnung. Deshalb ist der Anteil der taxonomiefähigen Kapitalanlagen noch sehr klein. Aber da passiert gerade wahnsinnig viel. Also wir, bei unseren 1,4 Milliarden, sind zu allen unseren Managern gegangen, die das für uns machen und haben gesagt: Ihr müsst diesen Nachweis erbringen. Jetzt haben wir zwar nicht die Macht zu sagen: Ihr müsst sonst morgen den Geschäftsbetrieb einstellen. Wir sagen aber: Wenn ihr noch mal Geld von uns haben wollt, dann nur, wenn ihr das jetzt macht und zwar auch relativ schnell.

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