Ernst Wilhelm Arnoldi
Ernst Wilhelm Arnoldi (1778 - 1841) ist ein ungewöhnlich reger Geist: Er fordert eine deutsche Wirtschafts- und Währungsunion, setzt sich für die Idee der Gegenseitigkeit ein und baut ein Agentennetzwerk auf. Kein Wunder also, dass er für all das ein Ehrengeschenk bekommt.
1819
"An die hohe deutsche Bundesversammlung"
"Ein Dom beschirmt, ein Markt, ein Haus Erfüllt, umfängt den Bund; Frei geht da Jeder ein und aus Und fühlt’s und giebt es kund."
"Jubellied" von Ernst Wilhelm Arnoldi
Deutschland ist 1815 ein Flickenteppich von 41 souveränen Königreichen, Fürstentümern und Städten, jedes ein Zollgebiet mit eigenem Geldwesen. Gemeinsam mit dem Nationalökonom Friedrich List fordert Arnoldi 1819 in der Denkschrift "An die hohe deutsche Bundesversammlung" ein einheitliches deutsches Wirtschaftsgebiet. Mehr als 5.000 Händler und Gewerbetreibende unterzeichnen. In Gotha gründet Arnoldi 1821 den Gewerbeverein und engagiert sich für den "Allgemeinen deutschen Zollverein". Als dieser 1834 gegründet wird, entsteht ein großer zusammenhängender deutscher Binnenmarkt. Arnoldi jubelt und dichtet: "Frei geht da Jeder ein und aus / Und fühlt’s und giebt es kund."
1820
"Die christliche Lehre der Liebe praktisch angewendet"
"Könnte die Gegenseitigkeit Alles und Alle umfassen, so hätten wir die christliche Lehre der Liebe praktisch angewendet und die individuelle Menschenliebe würde dadurch nur an freier Bewegung gewinnen können."
Ernst Wilhelm Arnoldi
In der Idee der "Gegenseitigkeit" sieht Ernst Wilhelm Arnoldi die Chance, unverschuldetes Unglück "durch Verteilung über alle unfühlbar zu machen, den einzelnen unter den Schutz aller zu stellen". Mit Gründung der "Feuer-Versicherungs-Bank für den deutschen Handelsstand" am 2. Juli 1820 entsteht nach seinen Plänen erstmals ein großer Gegenseitigkeitsverein moderner Prägung als nationales Versicherungsunternehmen.
Rasch dehnt Arnoldi die "Feuer-Versicherungs-Bank" auf alle Staaten des Deutschen Bundes aus. Die Versicherungsnehmer sind gleichzeitig Mitglieder des Versicherungsvereins und haften gemeinsam für die Risiken. Dafür werden sie an den Überschüssen beteiligt und können in den Gremien des Vereins mitwirken.
Bis heute pflegt die Gothaer das Gegenseitigkeitsprinzip und ist ausschließlich der Gemeinschaft ihrer Versicherten verpflichtet und keinen Aktionären. Sie gehört zu den größten Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit in Deutschland.
1821
"Rührige und geschickte Propaganda"
"Der rührigen und geschickten Propaganda, welche von Gotha aus nach allen Theilen des Vaterlandes hin theils durch die Vermittlung von Agenten … betrieben wurde, gelang es allmählich auch, die wichtigste Vorbedingung der Betriebseröffnung [der Lebensversicherungsbank] zu sichern.“
Für den Vertrieb der Versicherung wirbt die Gothaer "Agenten" an, meist Kaufleute, die nebenbei Versicherungen verkaufen. 1823 sind es bereits 250 im deutschsprachigen Raum. Der erste Versicherte bekommt im Policenbuch die Nummer 101, weil keiner der ersten Zeichner eine Police mit ganz niedriger Nummer haben möchte.
Diese kleine Mogelei ist nicht die einzige: Ende 1820 sind erst 2,8 Millionen Taler Versicherungssumme fest gezeichnet, während es laut Satzung mindestens vier Millionen sein müssten, um den Betrieb aufzunehmen. Angesichts vieler Vormerkungen legt man die Bankverfassung aber großzügig aus und tatsächlich sind Ende 1821 1.804 Versicherungen mit einer Summe von 13,5 Millionen Talern verkauft.
Versichert werden zunächst nur wechselfähige Kaufleute, Apotheker, Buchhändler und Fabrikbesitzer "von unbescholtenem Rufe". Als Prinz Leopold von Coburg, der spätere König von Belgien, um eine Versicherung ersucht, lehnt die Bank ab – der Prinz ist kein Kaufmann.
1822
"Eine zu reife Frucht, als dass sie nicht benagt werden sollte"
1821 gibt es Streit in der Bank: Die Vorstände aus Langensalza und Eisenach protestieren, dass Arnoldi sie beim Brand von Pritzwalk mit 13.000 Talern Schaden nicht ausreichend informiert habe, gegen die zu hohe Bezahlung der Bank-"Beamten" (darunter Arnoldi selbst), seine unberechtigten Eingriffe als Direktor in die Arbeit des Vorstands und einiges mehr: "Die Sitzung war stürmisch und wirkte unerquicklich nach".
Müde dieser Auseinandersetzungen legt Arnoldi im Februar 1822 sein Amt als Bankdirektor nieder. Dieses wird nun geteilt: Vorstandsvorsitzender wird der Erfurter Kaufmann Johann Wilhelm Stoltz, neuer (besoldeter) Bankdirektor wird 1823 der Gothaer Kaufmann Wilhelm Madelung (bis 1845). Ernst Wilhelm Arnoldi wird in den Gothaer Ausschuss gewählt und bleibt bis zu seinem Tod 1841 einfaches Mitglied im obersten Organ.
Der Streit schwelt jedoch weiter: Die Vorstände von Langensalza und Eisenach beschweren sich beim Minister und fordern "die Bank der speciellen Aufsicht einer Herzoglichen Behörde zu unterstellen". Als sie damit scheitern, treten sie 1824 zurück.
1834
"Frag dein Gewissen"
"Soll dieses mich, soll Jenes mich regieren?
Das ist die Frage, und die Antwort heißt:
Frag dein Gewissen, richtig wird’s Dich führen."
Ernst Wilhelm Arnoldi
Zum Dank für seine Verdienste um die "Feuer-Versicherungs-Bank" erhält Arnoldi 1834 vom Vorstand ein "Ehrengeschenk" in Höhe von 15.000 Talern. Arnoldi stiftet einen Teil für gemeinnützige Zwecke, so den Bau eines Realgymnasiums (1836), einen Teil steckt er in seine anderen Unternehmungen: Arnoldi beschäftigt sich intensiv mit der Gewinnung von Zucker aus Rüben, da für den Kauf von Rohrzucker viel Geld ins Ausland fließt. Er gründet 1836 in Gotha eine Zuckerfabrik (die allerdings immer Ärger macht und ihm einen "sorgenschweren Lebensabend“ beschert) und engagiert sich für einen Zusammenschluss der deutschen Rübenzuckerfabrikanten (Zuckerhansa), den Bau des Hoftheaters und für das Projekt "Thüringer Eisenbahn".
1841
"Ich habe mir nichts vorzuwerfen"
"Ich bin auf alles gefasst.
Ich habe mir nichts vorzuwerfen;
höchstens dass ich zu viel gearbeitet habe."
Ernst Wilhem Arnoldi kurz vor seinem Tod
1840 lassen Arnoldis Kräfte nach, doch arbeitet der 62-jährige noch immer in seinen Unternehmen: "Mein Befinden ist seit Anfang vorigen Monats nicht das beste gewesen", schreibt er Anfang 1841 und klagt über "fieberhaften Rheumatismus". Am 10. Mai 1841 schreibt er: "Ich leide an einem gastrischen Fieber und das Arbeiten wird mir schwer".
Obwohl die Ärzte seinen Zustand für "nicht bedenklich" halten, stirbt Ernst Wilhelm Arnoldi kurz nach seinem 63. Geburtstag am 27. Mai 1841 unter hohem Fieber. Als Todesursache nennen die Ärzte ein "nervöses Fieber", vermutlich ausgelöst durch Überarbeitung: "Sie meinen, dass sein Nervensystem durch die unausgesetzte Spannung und Thätigkeit seines Geistes gelitten habe und nach und nach zerstört worden sei", berichtete sein Sohn.
Der Arzt der Lebensversicherungsbank Dr. Georg Florschütz schloss später aufgrund der Beschreibungen auf eine Magen-Lebererkrankung.