Seiner Zeit voraus und daher verkannt
Professor Friedrich List setzte sich sein Leben lang für die Abschaffung der innerdeutschen Zollgrenzen und die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes ein. Darüber hinaus entwickelte er Pläne, wie ein deutsches Eisenbahnnetz aussehen könnte. Diese beiden Themen interessierten auch Ernst Wilhelm Arnoldi sehr und so ergaben sich freundschaftliche Berührungspunkte zwischen diesen beiden großen Männern.
Friedrich List wurde am 6. August 1789 getauft - ob dies auch sein Geburtstag war, ist nicht sicher. Er wurde in Reutlingen als Sohn von Johannes List, einem Weißgerbermeister, der in der Stadt sehr angesehen war und verschiedene Ehrenämter innehatte, und dessen Ehefrau Maria Magdalena geboren. Als Junge besuchte er die Lateinschule in Reutlingen und ging anschließend mit 14 Jahren bei seinem Vater in die Lehre. Doch da er ein Kopfmensch war und handwerklich weder geschickt noch interessiert, ging er 1805 in den Verwaltungsdienst, in dem er immer weiter aufstieg. Ab 1811 studierte er in Tübingen zum Beispiel Kameralwissenschaften - heute würde man wahrscheinlich Verwaltungswesen sagen - und öffentliches Recht. Der württembergische Kultusminister Karl August Freiherr von Wangenheim, der auch sein oberster Vorgesetzter war, wurde sein Förderer.
Friedrich List war ein vielseitig interessierter und sehr reger Geist, er betätigte sich als Beamter, Professor, Politiker, Journalist, Eisenbahnpionier und Nationalökonom. Auf Wunsch von Karl August Freiherr von Wangenheim wurde er zum Professor für Staatsverwaltungswissenschaften ernannt, ohne einen Universitätsabschluss zu haben. Dies verschaffte ihm nicht nur Freunde.
1818 - während seiner Tübinger Professur - heiratete Friedrich List die Witwe Karoline Neidhard. Sie bekamen drei Töchter und einen Sohn. Zu Beginn der Ehe mit Karoline veröffentlichte Friedrich List "Die Staatskunde und Staatspraxis Württembergs". Mit dieser kleinen Schrift machte er sich bei der Regierung unbeliebt und musste sich gegen den Vorwurf wehren, umstürzlerische Lehren zu verbreiten.
Am 24. November 1820, also kurze Zeit nach der Gründung der Gothaer Feuerversicherungsbank schrieb Friedrich List an Ernst Wilhelm Arnoldi: "Das Institut der Brand-Assekuranz findet allgemeinen Beifall. Mit Vergnügen werde ich alles dazu beitragen, diese gemeinnützige Anstalt auszubreiten, und ich entbiete mich, die Kommissionsgeschäfte in Schwaben zu besorgen, wenn Sie mich dazu für tüchtig erachten." Warum es nie dazu kam, dass List zum Gothaer Kollegen wurde, ist nicht überliefert.
Bei Gründung der Gothaer Feuerversicherungsbank bestand der deutsche Wirtschaftsraum aus 39 Kleinstaaten. Dies war einer wirtschaftlichen Entwicklung des Landes nicht förderlich und sowohl List als auch Arnoldi setzten sich dafür ein, dies zu ändern und die Zollgrenzen abzuschaffen.
Aufgrund der vielen Kleinstaaten kamen zu den Grenzzöllen auch noch Binnenabgaben. Das Geld- und Kreditwesen war zersplittert, weil eine zentrale Regierung nicht vorhanden war. Da der Wirtschaft ein einheitlicher Binnenmarkt für den Absatz ihrer Erzeugnisse fehlte, gab es Bestrebungen, wenigstens ein einheitliches Zoll- und Wirtschaftsgebiet zu schaffen, wenn schon eine politische Einigung nicht verwirklicht werden konnte. Diesen Gedanken vertrat auch Arnoldi, denn seine Gründungen waren von vornherein auf das ganze deutsche Sprachgebiet abgestellt. Er verhielt sich aber - wohl mehr aus Vorsicht - reserviert gegenüber Lists Bestrebungen.
Unter engagierter Mitwirkung von Friedrich List entstand 1819 der "Allgemeine Deutsche Handels- und Gewerbeverein", der sich später "Verein Deutscher Kaufleute und Fabrikanten" nannte und zum Ziel hatte, die Zollgrenzen abzuschaffen und einen innerdeutschen Binnenmarkt zu etablieren. Der Verein wandte sich mit Eingaben an die Bundesversammlung und an die Ministerkonferenzen in Karlsbad und Wien. Da die herrschende Bürokratie in diesen Bestrebungen aber demagogische Umtriebe zu erkennen glaubte, blieben sie ohne Erfolg. Und nicht nur das. List, der Geschäftsführer des Vereins geworden war, verlor seine Professur, wurde als Agitator ins Gefängnis geworfen und dann zur Auswanderung nach Amerika gezwungen. Erst nachdem List 1832 wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, entstand am 1. Januar 1834 im Rahmen des deutschen Zollvereins erstmals ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet, das die Mehrzahl der deutschen Länder umfasste.
Aufgrund seines Amerikaaufenthaltes verfügte List über Erfahrungen den Bau von Eisenbahnen betreffend. Als er 1832 zurückkehrte, unterstützte Ernst Wilhelm Arnoldi seine Pläne zur Entwicklung eines deutschen Eisenbahnsystems. Gemeinsam setzten sie sich für den Bau der thüringischen Eisenbahn ein und erreichten, dass die Eisenbahnschienen durch die bevölkerungsreichen Städte Naumburg, Weimar, Erfurt, Gotha und Eisenach verlegt wurden. 1839 wurde die Strecke von Leipzig nach Dresden in Betrieb genommen. Obwohl sich auch die nachfolgenden Eisenbahnprojekte an den Vorgaben von List orientierten, brachte ihm seine Pioniertat keinen Ruhm ein. Ebensowenig wie seine Darlegungen zum Thema Nationalökonomie. Und auch sein letzter Versuch, zwischen England und dem deutschen Zollverein eine Verbindung herzustellen, war nicht von Erfolg gekrönt. Bei so vielen Rückschlägen und Misserfolgen ist es nicht verwunderlich, dass er sich auf einer Reise nach Tirol am 3. Dezember 1846 in Kufstein - dort wurde ihm später ein Denkmal errichtet - mit seiner Reisepistole in den Kopf schoss.
Da Friedrich List als einer der bedeutendsten Wegbereiter der Historischen Schule der Nationalökonomie gilt, wurden ihm posthum einige Denkmale und Gedenktafeln gesetzt. Darüber hinaus wurden mehrere Universitätsfakultäten und Berufskollegs sowie Straßen in zahlreichen Städten nach ihm benannt. 1989 gab die Deutsche Bundespost zu seinem 200. Geburtstag eine Briefmarke mit seinem Porträt heraus.